Frauenraum Bern

Aus Das Wiki zur Lesbengeschichte der Schweiz
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Frauenraum in der Reitschule Bern, seit 1987.

Logo auf der Webseite 2023

Geschichte

Zur "Geschichte der Frauenarbeitsgruppe in der Reitschule" steht auf der Webseite von 2001[1]

  • 1987: Sechs Jahre nach der Zerschlagung des Autonomen Jugendzentrums Bern besetzt die aufmüpfige Berner Jugend die Reitschule erneut. Frauen sind in den ersten Reihen mit dabei, voller Empörung über die gewaltsame Räumung des "Freien Landes Zaffaraya", begeistert über die Möglichkeit, sich im Sog der damaligen Bewegung breiter organisieren zu können, bebend vor Ungeduld auf einen Ort, der ihnen gehört. Viele kennen sich bereits aus verschiedenen Frauenzusammenhängen. Sie prägen die Stimmung in der Reitschule insbesondere durch ihr selbstbewusstes kollektives Auftreten und durch die Forderungen, die sie immer wieder an die andern Genossen und Genossinnen stellen: Sie fordern einen nichtsexistischen Sprachgebrauch, erwarten von den Männern eine Auseinandersetzung mit dem Geschlechterwiderspruch, fordern einen eigenen Raum für Sitzungen und träumen davon, die traditionellerweise am ersten Freitag im Monat stattfindende Frauendisco vom "Goldenen Boot" in der Altstadt in die Reitschule zu verlegen.
  • 5. Februar 1988: 1. Frauendisco im Dachstock der wiederbesetzten Reitschule Bern!
  • 1988: Die Frauen der nun entstandenen Frauenarbeitsgruppe der Reitschule Bern treten sehr geschlossen auf und repräsentieren für viele Reitschulaktive die "Frauen allgemein" in der Reitschule. Engagierte Frauen aus gemischtgeschlechtlichen Arbeitsgruppen arbeiten weitgehend losgelöst von der Frauenarbeitsgruppe.
  • 1992: Der Alltag in der Reitschule wird geprägt von gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Leuten, die das Wohnhaus und den Vorplatz der Reitschule bewohnen. Unterdessen haben sich die Frauen der Frauen-AG eine recht breite Akzeptanz in der Reitschule erkämpft. Sie verfügen über ein kleines Frauenzimmer, wo verschiedene Aktivitäten stattfinden, auch die Frauendisco ist inzwischen weitgehend zur Selbstverständlichkeit geworden. Die Reitschul-Vollversammlungen sind jedoch immer noch, und besonders zu diesem Zeitpunkt, aggressiv und von den lautesten Stimmen geprägt. Die Frauen der Frauen-AG ziehen sich mit der Zeit aus den gemischtgeschlechtlichen Foren der RS zurück, belassen jedoch einen Fuss noch soweit im Gesamtbetrieb, wie dies für den Erhalt der erreichten Akzeptanz notwendig ist. Die Gewalt lähmt den ganzen Polit- und Kulturbetrieb der Reitschule. Einzelne Betreibende der RS, darunter viele Frauen, halten dieses Klima nicht mehr aus und ziehen sich frustriert aus der RS zurück.
  • Dezember 1992: Die Gewalt eskaliert und findet ihren Höhepunkt, als auf dem Vorplatz eine Frau erschossen wird. Für alle noch verbliebenen Aktivistinnen und Aktivisten ist klar, dass entweder eine radikale Veränderung eintreten muss, oder dass die RS aufgegeben wird. Die verkleinerte Frauen-AG engagiert sich durch die schwierige Situation wieder ganz im Gesamtbetrieb der RS.
  • 1993: An einer zweitägigen gemischtgeschlechtlichen Krisensitzung werden wichtige Entscheidungen für den zukünftigen Betrieb der RS gefällt. Eine grosse Veränderung für die Frauen-AG ist in der Folge, dass diese einen neuen grossen Veranstaltungsraum erhält. Nach gewissen Umbauarbeiten ist der wunderbare neue Frauenraum bezugsbereit. Mit einem Veranstaltungsprogramm hoffen die AG-Frauen, dass die Reitschule wieder zu einem attraktiven Ort für viele Frauen werden kann. Da die zusätzliche Rolle als Veranstalterinnen eine Überforderung darstellt, werden kulturinteressierte Frauen gesucht, die mithelfen, den neuen Frauenraum zu betreiben. Bald darauf entsteht mit den neuen Frauen an den Sitzungen ein grosses Durcheinander. Für die einen sind die Veranstaltungen das wichtigste Traktandum, andere pochen darauf, die Gesamtreitschul-Themen seriös zu besprechen. Dieser Konflikt führt dazu, dass die Frauen-AG in zwei Gruppen geteilt wird: die Veranstaltungsgruppe (VG) soll das Organisieren des kulturellen Angebots im Frauenraum übernehmen, die Koordinationsgruppe (Frauen-KG) soll die Funktion einer Drehscheibe übernehmen und die Anliegen der Frauen-AG in den gemischten Gesamtbetrieb einbringen und umgekehrt. Die folgenden Jahre (aus Sicht der KG): Das Phänomen, dass sich immer weniger Leute in der RS engagieren, geht nicht spurlos an den Frauenzusammenhängen vorbei. Die Frauen-KG schrumpft erneut auf eine kleine Kerngruppe. Knapp werden die Reitschul-Themen diskutiert und die Energie reicht nicht aus, eigene Visionen zu entwickeln. Die Austauschsitzungen mit den Veranstaltungs-Frauen finden nur sporadisch statt, eine gute Zusammenarbeit entwickelt sich nicht.
  • 1996: Noch einmal werden die Energien gebündelt und neue Frauen für die Koordinationsgruppe gesucht. Eine Vergrösserung der AG gelingt, und es entwickelt sich auch mehr Nähe zu den Frauen der gemischtgeschlechtlichen Arbeitsgruppen. Mit den jungen Frauen der parallel gegründeten Fantifa (Antifaschistische Frauengruppe) ergibt sich eine punktuelle Zusammenarbeit. Euphorisch wird in die Zukunft geschaut!
  • Dezember 1997: So endet denn der Streifzug durch vergangene Zeiten, angekommen im Dezember 1997. - Es gibt sie noch beide, die Frauen-VG und die Frauen-KG. Eine Zusammenarbeit hat sich bis heute nicht entwickelt, und es stellt sich die Frage, ob eine richtige Teilung in zwei unabhängige Arbeitsgruppen nicht sinnvoller wäre. Eine noch in diesem Monat geplante Sitzung (VG+KG) soll diesbezüglich Klarheit schaffen.

Die Frauen-Koordinationsgruppe:
Der frische Aufwind von Ende 1996 und Anfang 1997 konnte bis heute erhalten bleiben. Wir setzen uns aus acht Frauen zusammen, die sich jeden Montag um 18.30 Uhr treffen. Abwechslungsweise finden unsere Sitzungen im Restaurant "Sous le pont" in der Reitschule oder in der Frauenbrasserie Lorraine statt. An den RS-Sitzungen diskutieren wir die Reitschul-Themen, was oftmals sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Es ist uns aber wichtig, als Frauengruppe Einfluss auf den Gesamtbetrieb zu nehmen und mit den andern Arbeitsgruppen zusammenzuarbeiten.
In der Frauenbrass diskutieren wir selbstbestimmte Themen wie diverse Formen der Gewalt an Frauen, Frauen und (militanter) Widerstand, überlegen uns Aktionen zu Daten wie dem 25. November (int. Tag gegen Gewalt an Frauen), besprechen Anfragen, Aktivitäten etc. von andern Frauengruppen. Wir sind offen für neue Frauen und interessiert am Austausch und/oder punktueller Zusammenarbeit mit andern Frauengruppen. Wir sehen uns nicht als Veranstalterinnen, haben aber auch ein Anrecht auf den Frauenraum und Lust darauf, diesen gelegentlich zu nutzen.
Beispiele dafür sind Selbstverteidigungskurse, Lesungen, eine Videoinstallation von Muda Mathis u.a. Verwiesen sei hier natürlich auch auf das aktuelle Januarprogramm! Diese Themenzweiteilung hat sich bewährt und ermöglicht uns, auch wirklich an unseren Themen zu arbeiten. So sehen wir denn froh und glücklich dem neuen Jahrtausend entgegen und freuen uns, wenn sich noch neue Frauen zu uns gesellen.

Eine kurze Geschichte des Frauenraums ist auch auf der aktuellen Webseite des Frauenraums nachzulesen.[2]

Literatur

  • Bühler, Caroline. Frauen tanzen, lachen, diskutieren, politisieren, flippen, relaxen in der Berner Reitschule. In: Emanzipation, 3/1994, S. 16-17. Online verfügbar auf: e-periodica, zuletzt aufgerufen am 3.1.2023
  • Hofstetter, Doris. Berner Reithalle, Frauen-Zimmer-Geschichten: kein historischer Abriss, sondern ein subjektiver Bericht. In: Emanzipation 3/1988, S. 24-25. Online verfügbar auf e-periodica, zuletzt aufgerufen am 26.12.2022

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Die Geschichte der Frauenarbeitsgruppe in der Reitschule - Ein fragmentarischer Streifzug. Auf: idaderfrauenraum.ch (Oktober 2001). Online verfügbar auf WebArchive.org, zuletzt aufgerufen am 3.1.2023
  2. Geschichte. Auf: frauenraum.ch, zuletzt aufgerufen am 3.1.2023